Aktuelle Infos zum Erbrecht Anwalt für Erbrecht finden Über 1.000 Urteile zum Erbrecht Geschrieben von Anwälten

Zwei Testamente werden gleichzeitig erstellt – Welches gilt?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Rostock – Beschluss vom 25.11.2021 – 3 W 52/21

  • Erblasser verfasst an einem Tag zwei inhaltlich abweichende Testamente
  • Die Reihenfolge der Errichtung der einzelnen Testamente kann nicht geklärt werden
  • Soweit sich die Testamente widersprechen, sind sie unwirksam

Das Oberlandesgericht Rostock hatte über die Frage zu entscheiden, welches von zwei gleichzeitig errichteten Testamenten über die Erbfolge entscheidet.

In der Angelegenheit war ein Erblasser am 07.10.2018 verstorben.

Der Erblasser hatte im Juli des Jahres 2011 eine Anwältin aufgesucht und sich hinsichtlich der Errichtung eines Testaments beraten lassen.

Erblasser errichtet an einem Tag zwei Testamente

Im August 2011 übermittelte die Rechtsanwältin dem späteren Erblasser einen maschinenschriftlichen Entwurf eines Testaments.

In der Folge errichtete der Erblasser am 04.07.2012 zwei handschriftliche und von ihm unterzeichnete Testamente.

Diese Testamente waren im Wesentlichen inhaltsgleich.

Der Erblasser setzte in beiden Testamenten eine Tochter A und einen Sohn B als Erben ein.

Regelungen in den Testamenten sind weitgehend inhaltsgleich

Weitere Verwandte wurden in dem Testament von der Erbfolge ausgeschlossen.

Weiter enthielten beide Testamente ein Vermächtnis zugunsten der Lebensgefährtin des Erblassers, wonach der Lebensgefährtin ein unentgeltliches lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Hausgrundstück des Erblassers zustehen sollte.

Der einzige Unterschied zwischen den beiden Testamenten bestand in einem weiteren Vermächtnis, dass der Erblasser in nur einem Testament zugunsten seiner Tochter A angeordnet hatte.

Nur ein Testament enthält ein Vermächtnis zugunsten der Tochter

Nach diesem Vermächtnis in dem einen Testament sollte der Tochter A zudem ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Hausgrundstück des Erblassers zustehen.

Nach dem Tod des Erblassers galt es zu klären, nach welchem der beiden Testamente sich die Erbfolge richtet.

Die Tochter A setzte auf das Testament, in dem ihr zusätzlich zu ihrer Erbenstellung ein Vermächtnis zugewandt worden war und beantragte einen Erbschein, der sie als alleinige Erbin ausweisen sollte.

Sohn des Erblassers beantragt als hälftiger Miterbe einen Erbschein

Der Sohn B hingegen begehrte vom Nachlassgericht einen Erbschein, der seine Schwester A und ihn selber als je hälftige Erben ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht ließ die Beteiligten wisse, dass es dem Antrag der Tochter A stattgeben wolle, da sich das Testament, auf das die Tochter ihr Erbrecht stützte, vom Erblasser in einem besonderen Ordner verwahrt worden sei.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Sohn B Beschwerde zum  Oberlandesgericht ein.

OLG hebt das Nachlassgericht auf

Das OLG gab dem Beschwerdeführer Recht und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.

Sohn B und Tochter A des Erblassers seien, so das OLG, hälftige Miterben nach ihrem Vater geworden.

Das OLG verwies in seiner Entscheidung darauf, dass nicht rechtssicher festgestellt werden könne, in welcher Reihenfolge die beiden Testamente vom Erblasser verfasst worden seien.

Fiktion: Beide Testamente wurden zeitgleich errichtet

Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass beide Testamente vom Erblasser gleichzeitig verfasst worden sind.

Weiter führte das OLG aus, dass soweit sich zwei gleichzeitig errichtete Testamente widersprechen, sie in den Teilen unwirksam seien, in denen sie sich widersprechen.

Das Vermächtnis, das zugunsten der Tochter des Erblassers in nur einem Testament ausgesetzt worden war, war damit hinfällig.

Auffindeort der Testamente ist nicht entscheidend

Entgegen dem Nachlassgericht konnte das OLG aus dem konkreten Auffindeort der Testamente keine Rückschlüsse darauf ziehen, welches der beiden Testamente vom Erblasser als das maßgebliche angesehen wurde.

Damit standen beide Testamente gleichberechtigt nebeneinander und der widersprüchliche Teil konnte keine Rechtswirkung entfalten.

Der vom Sohn des Erblassers als Miterbe beantragte Erbschein konnte erteilt werden.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

Das könnte Sie auch interessieren:
Das Testament sollte immer mit einem Datum versehen sein
Ein zweites Testament taucht auf – Welches gilt?
Erblasserin errichtet insgesamt vier Testamente - Welches gilt?
Über 1.000 aktuelle Entscheidungen der Gerichte zum Erbrecht

Erbrecht