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Ein Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin ist sittenwidrig und damit nichtig!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Celle – Beschluss vom 09.01.2024 – 6 W 175/23

  • Eine 92jährige hat massive gesundheitliche und psychische Probleme
  • Eine kurz zuvor eingesetzte Betreuerin organisiert einen Notartermin und lässt sich im Testament der 92jährigen als Alleinerbin einsetzen
  • Gerichte halten das Vorgehen der Betreuerin für anstößig und werten das Testament als unwirksam

Das Oberlandesgericht Celle hatte über die Wirksamkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin verfassten Testaments zu urteilen.

In der Angelegenheit war eine 92jährige am 03.10.2022 in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

Nur kurze Zeit vorher war ihre 71jährige Tochter, die sich bis zu ihrem Tod um ihre Mutter gekümmert hatte, am 24.09.2022 nach langer Krankheit verstorben.

Für die Erblasserin wird eine Betreuung angeordnet

Zwei Tage nach dem Tod der Tochter, am 26.09.2022, hatte das zuständige Amtsgericht eine Berufsbetreuerin für die spätere Erblasserin eingesetzt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die spätere Erblasserin nach Auskunft der Krankenhausärzte „keinen Lebenswillen“ mehr.

Die Erblasserin litt an Herzinsuffizienz, Aorteninsuffizienz und Hypertonie sowie Vorhofflimmern, außerdem diagnostizierten die Ärzte bei der Erblasserin eine chronisch depressiven Erkrankung.

Eigentlich sollte die Kirche als Erbin eingesetzt werden

Gegenüber der Betreuungsrichterin hatte die spätere Erblasserin noch angegeben, dass sie die Absicht habe, ein Testament zugunsten der Kirche zu verfassen.

Am 11.10.2022, und damit nur wenige Tage nach der Einrichtung der Betreuung, veranlasste die Betreuerin einen Notar zu einem Besuch der alten Dame im Krankenhaus.

Dabei teilte die Betreuerin dem Notar mit, dass die alte Dame den Wunsch habe, sie, die Betreuerin, in einem Testament als alleinige Erbin einzusetzen.

Ein Notar beurkundet das Testament

Der Notar fand die Begleitumstände rund um die Beurkundung des Testaments nach eigenem Bekunden zwar ungewöhnlich. Dies hinderte ihn aber nicht daran, das Testament der alten Dame zugunsten der Betreuerin im Krankenhaus zu beurkunden.

Die alte Dame verstarb in der Folge am 22.10.2022 und damit nur elf Tage nach Errichtung des Testaments.

Im August 2023 beantragte die im Testament als Erbin eingesetzte Betreuerin dann bei dem zuständigen Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins.

Nachlassgericht wertet das Testament als unwirksam

Dieser Erbscheinsantrag wurde vom Nachlassgericht allerdings als unbegründet abgewiesen.

Das Nachlassgericht bewertete das von der Betreuerin vorgelegte Testament in Anbetracht der besonderen Begleitumstände als sittenwidrig und damit nichtig.

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts legte die Betreuerin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG weist die Beschwerde der Betreuerin gut begründet ab

In einem gut begründeten Beschluss wies das OLG die Beschwerde der Betreuerin gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ab.

Ebenso wie das Nachlassgericht hielt das OLG das von der Betreuerin vorgelegte Testament der Erblasserin für sittenwidrig und damit unwirksam.

Das OLG verwies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass

„ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und allein stehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.“

Die im vorliegenden Fall zur Sittenwidrigkeit des Testaments führenden Umstände fasste das OLG wie folgt zusammen:

  • Die Erblasserin war zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments 92 Jahre alt.
  • Der körperliche und vor allem geistige Zustand der Erblasserin war nach dem Tod ihrer Tochter hoch problematisch.
  • Die Beauftragung des Notars erfolgte durch die Betreuerin und nicht durch die Erblasserin selber.
  • Gegenüber dem Gericht gab die Betreuerin wahrheitswidrig an, dass ihr „definitiv nicht bewusst“ gewesen sei, dass sie in dem Testament als Alleinerbin eingesetzt werden sollte.
  • Zwischen der Bestellung der Betreuerin und der Beurkundung des Testaments lag nur ein Zeitraum von zwei Wochen.
  • Die Betreuerin behauptete, es habe sich innerhalb dieser zwei Wochen ein „Mutter-Tochter-Verhältnis“ zwischen der Erblasserin und ihr entwickelt.
  • Schließlich behauptete die Betreuerin, dass es ihr keineswegs „ums Geld“ ginge, sondern sie ausschließlich den Willen der Erblasserin durchsetzen wolle.

Diese Umstände reichten dem OLG im Ergebnis aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass das von der Erblasserin verfasste notarielle Testament sittenwidrig und unwirksam war.

Der von der Betreuerin beantragte Erbschein konnte nach dieser Entscheidung nicht erteilt werden.

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