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Ein notarieller Erbvertrag von Eheleuten kann durch ein privat erstelltes gemeinsames Testament aufgehoben werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Urteil vom 11.08.2022 – 10 U 68/22

  • Eheleute setzen in einem notariellen Erbvertrag ihre beiden Söhne als Erben ein
  • Fünf Jahre später errichten die Eheleute ein gemeinsames Testament und schließen einen der beiden Söhne aus der Erbfolge aus
  • Die Erbfolge der Eheleute richtet sich nach dem zeitlich späteren Testament

Das Oberlandesgericht Hamm hatte das Verhältnis zwischen einem notariellen Erbvertrag und einem gemeinsamen Ehegattentestament zu klären.

In der Angelegenheit hatte die spätere Erblasserin gemeinsam mit ihrem Ehemann insgesamt vier notarielle Erbverträge errichtet.

Der letzte Erbvertrag der Eheleute vom 24.11.1998 sah vor, dass die Erblasserin ihre beiden Söhne A und B als Erben einsetzt.

Der notarielle Erbvertrag soll bindend sein

Die Verfügungen der Erblasserin in dem notariellen Erbvertrag sollten ausdrücklich vertragsgemäß und damit bindend sein.

Am 02.04.2003 verfassten die spätere Erblasserin und ihr Ehemann dann aber ein privatschriftliches Testament, in dem folgendes angeordnet wurde:

"Der von uns vor dem Notar am 24.11.1998 unterzeichnete Ehe- und Erbvertrag soll in nachfolgendem Punkt geändert werden: Unsere Söhne A und B sollen nicht zu gleichen Teilen erben, sondern Sohn A wird zum Alleinerben bestimmt."

Im November 2021 verstarb dann der Sohn B und hinterließ eine Tochter, die Enkelin der Erblasserin, als seine Erbin.

Nach dem Tod der Erblasserin streiten Sohn und Enkelin

Im Dezember 2021 verstarb dann die Erblasserin selber.

In der Folge entbrannte dann ein Erbstreit zwischen dem Sohn A und der Enkelin der Erblasserin.

Im Kern ging es bei dem Streit um ein Grundstück, das im Eigentum der Erblasserin stand.

Der Sohn A leitete sein Erbrecht aus dem gemeinsamen Testament seiner Eltern aus dem Jahr 2003 ab.

Gilt der Erbvertrag oder das gemeinsame Testament?

Die Enkelin der Erblasserin setzte hingegen auf den notariellen Erbvertrag aus dem Jahr 1998 und wollte als Rechtsnachfolgerin ihres vorverstorbenen Vaters am Nachlass beteiligt werden.

Verkompliziert wurde die Auseinandersetzung zwischen dem Sohn A und der Enkelin der Erblasserin durch den Umstand, dass die Erblasserin ihrem Sohn A im Juni 2021 eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt hatte.

Mithilfe dieser Vollmacht hatte der Sohn A kurz vor dem Tod seiner Mutter das Grundstück seiner Mutter auf sich selber übertragen.

Enkelin der Erblasserin beantragt eine einstweilige Verfügung

Als Reaktion auf diesen Vorgang beantragte die Enkelin der Erblasserin bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, aufgrund derer ein Widerspruch und ein Verfügungsverbot in das betroffene Grundbuchblatt eingetragen werden sollte.

Dieser Antrag wurde von der Enkelin der Erblasserin mit den Argumenten begründet, dass die Übertragung der Immobilie auf den Sohn A nicht vom Willen der Erblasserin gedeckt gewesen sei.

Die Übertragung der Immobilie auf den Sohn A stehe auch im Widerspruch zu den Festlegungen im notariellen Erbvertrag vom 24.11.1998.

Weiter sei das Vorgehen des Sohnes A, die Immobilie mit Hilfe einer Vollmacht auf sich zu übertragen, sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich.

Landgericht erlässt die einstweilige Verfügung

Die einstweilige Verfügung wurde in der Folge vom Landgericht erlassen.

Gegen die einstweilige Verfügung legte der Sohn A in der Folge Widerspruch ein.

Das Gericht bestätigte die angefochtene einstweilige Verfügung jedoch nach Anhörung der Parteien durch Urteil.

Gegen dieses Urteil legte der Sohn A Berufung zum Oberlandesgericht ein.

OLG hebt die Entscheidungen des Landgerichts auf

Das OLG gab der Berufung statt und hob sowohl die einstweilige Verfügung als auch das Urteil des Landgerichts auf.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass es dahinstehen könne, ob der Einsatz der Vollmacht durch Sohn A und die damit verbundene Übertragung des Grundstücks auf den Sohn A rechtlich angreifbar sei oder nicht.

Denn für das OLG stand jedenfalls fest, dass der Sohn A aufgrund des gemeinsamen Testaments seiner Eltern vom 02.04.2003 Alleinerbe seiner Mutter geworden war und aus diesem Grund auch kraft Erbfolge rechtmäßiger Eigentümer des umstrittenen Grundstücks geworden war.

Die Immobilie bleibt im Eigentum des Sohnes der Erblasserin

Der notarielle Erbvertrag aus dem Jahr 1998 sei durch das zeitlich spätere Ehegattentestament aus dem Jahr 2003 aufgehoben worden, § 2292 BGB.

Angriffe der Enkelin auf dieses gemeinsame Testament seien, so das OLG, nicht begründet.

Die Nachlassimmobilie blieb vor diesem Hintergrund im alleinigen Eigentum von Sohn A.

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