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Eheleute setzen sich gegenseitig als Vorerben ein und benennen einen Nacherben – Testament ist unklar und muss ausgelegt werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Eheleute benennen sich gegenseitig als Vorerben und setzen einen Nacherben ein
  • Testament ist unklar – Auslegung des letzten Willens erforderlich
  • Im Zweifel ist der Nacherbe auch Ersatzerbe

Gerade bei privat und ohne fachkundige Hilfe erstellten Ehegattentestamenten kommt es immer wieder zu Missverständnissen.

Oft findet man in solchen Testamenten die Formulierung, wonach sich die Eheleute gegenseitig als Vorerben einsetzen und gleichzeitig ein gemeinsames Kind oder einen Freund als Nacherben benennen.

Die Zielsetzung eines solchen Testaments ist regelmäßig der Wunsch der Eheleute, sich gegenseitig nach dem ersten Erbfall finanziell abzusichern und das gemeinsame Vermögen am Ende in die Hände der als Nacherben benannten Person zu geben.

Gewollte Erbfolge und Inhalt des Testaments stimmen nicht überein

Was aber Eheleute, die eine solche Konstruktion wählen, regelmäßig übersehen, ist der Umstand, dass sich die gewünschte Erbfolge gar nicht im Testament wieder findet.

Tatsächlich haben die Eheleute mit einem solchen Testament nur den ersten Erbfall geregelt.

Stirbt nämlich der Ehegatte 1, dann wird der Ehegatte 2 Vorerbe. Das Vermögen des Ehegatten 1 wird ein Sondervermögen beim Ehegatten 2 und unterliegt den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Was passiert im Nacherbfall?

Mit dem Ableben des Ehegatten 2 tritt der so genannte Nacherbfall ein und der im Testament der Eheleute benannte Nacherbe bekommt das Vermögen des Ehegatten 1 (bzw. das, was davon noch übrig ist).

Die Erbfolge nach dem Ehegatten 2 bleibt aber völlig offen. Der zweite Erbfall ist in dem Testament der Eheleute komplett ungeklärt geblieben.

Solche Überraschungen kann man vermeiden, wenn die Eheleute in ihrem Testament klarstellen, dass der beiderseitige Nachlass nach dem Tod des zunächst überlebenden Ehepartners an einen Dritten fallen soll.

Das Testament muss ausgelegt werden

Fehlt aber eine solche Klarstellung im Testament, dann ist zum einen Ärger programmiert und die beteiligten Juristen müssen sich daran machen, das offensichtlich lückenhafte Testament auszulegen und den Willen der Erblasser zu ermitteln.

Gerade wenn die Eheleute in dem gemeinsamen Testament ihre Kinder als „Nacherbe“ benannte haben, wird man häufig durch Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis kommen, dass der Nachlass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners an die Kinder fallen soll.

Kann man einen solchen Willen der Eheleute feststellen, dann ist ein gemeinsames Kind nicht nur der Nacherbe sondern gleichzeitig auch Ersatzerbe anstelle des zuerst verstorbenen Ehepartners.

Vorrangig ist der Wille der Beteiligten zu ermitteln

Zu diesem Ergebnis kann (nicht muss!) man bereits häufig mittels einfacher Auslegung des Testaments kommen.

Nur wenn eine Auslegung des Testaments nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommt, ist Raum für eine Anwendung der Auslegungsregel in § 2102 Abs. 1 BGB.

Danach enthält die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Nacherbe.

Die Auslegungsregel in § 2102 Abs. 1 BGB geht davon aus, dass der benannte Nacherbe in jedem Fall bedacht werden soll.

Spätestens über die Auslegungsregel in § 2102 Abs.1 BGB können so die Mehrheit der verunglückten Ehegattentestamente „gerettet“ werden.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

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