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Wer muss im Erbscheinverfahren die Kosten für ein Sachverständigengutachten bezahlen?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 10.08.2023 – 33 Wx 157/23 e

  • Nachlassgericht holt im Erbscheinverfahren ein Sachverständigengutachten ein
  • Die Kosten für das Gutachten soll nach einer Entscheidung des Nachlassgerichts die nicht erbende Ehefrau des Erblassers übernehmen
  • Das OLG korrigiert diese Kostenentscheidung: Die Söhne des Erblassers als Erben müssen die Kosten übernehmen

Das Oberlandesgericht München hatte über die Frage zu befinden, wer die Kosten für ein Sachverständigengutachten, das in einem Erbscheinverfahren eingeholt wurde, zu bezahlen hat.

In der Angelegenheit war ein Erblasser am 16.03.2019 verstorben.

Nur wenige Tage vor seinem Ableben hatte der Erblasser am 12.03.2019 seine Ehefrau geheiratet.

In einem ersten Testament setzt der Erblasser seine Söhne als Erben ein

Rund einen Monat vor seinem Tod hatte der Erblasser am 18.02.2019 ein notarielles Testament errichtet, in dem er seine beiden Söhne als seine Erben eingesetzt hatte.

Nur zwei Tage vor seinem Ableben, am 14.03.2019 hatte der Erblasser ein Nottestament vor dem Bürgermeister seiner Heimatgemeinde erreichtet.

In diesem Nottestament hatte der Erblasser seine Ehefrau zu ½ und seine beiden Söhne gemeinsam ebenfalls zu ½ als Erben benannt.

Ein Sohn beantragt einen Erbschein als Erbe zu ½

Nach dem Erbfall beantragte einer der Söhne beim Nachlassgericht auf Grundlage des zeitlich früheren Testaments vom 18.02.2019 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn und seinen Bruder als Erben ihres Vaters zu je ½ ausweisen sollte.

Der Sohn des Erblassers trug in diesem Zusammenhang vor, dass das zeitlich spätere Testament seines Vaters vom 14.03.2019 unwirksam sei, da sein Vater bei Errichtung dieses Testaments testierunfähig gewesen sei und das Testament im Übrigen nicht den Anforderungen an ein Nottestament genüge.

Die Ehefrau bestritt in dem Erbscheinverfahren diese Angaben des Sohnes des Erblassers. Sie vertrat die Auffassung, dass das zeitlich spätere Testament sehr wohl wirksam sei.

Das Nachlassgericht will dem Erbscheinantrag stattgeben

Das Nachlassgericht ermittelte in der Folge umfangreich und teilte den Beteiligten dann mit Beschluss vom 05.10.2020 mit, dass es dem Erbscheinantrag des Sohnes entsprechen wolle, da es das Nottestament für unwirksam hielt.

Gegen diesen Beschluss des Nachlassgerichts legte die Ehefrau Beschwerde ein.

Das Nachlassgericht reagierte auf diese Beschwerde der Ehefrau im Rahmen des Abhilfeverfahrens mit einem Beweisbeschluss.

Das Gericht ordnete an, dass ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden soll, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des zeitlich späteren Nottestaments testierfähig war oder nicht.

Der Sachverständige hält den Erblasser für nicht testierfähig

Der Sachverständige erstattete sein Gutachten im Jahr 2022 und kam zu dem Ergebnis, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments testierunfähig gewesen sei.

Daraufhin nahm die Ehefrau des Erblassers Anfang 2023 ihre Beschwerde zurück.

Mit Beschluss vom 20.02.2023 entschied dann das Nachlassgericht, dass die Ehefrau als Beschwerdeführerin die im Verfahren entstandenen Gerichtskosten sowie insbesondere auch die Gutachterkosten zu tragen habe.

Die Ehefrau will die Kosten für das Gutachten nicht übernehmen

Gegen diesen Beschluss legte die Ehefrau des Erblassers, die die Kosten nicht übernehmen wollte, wiederum Beschwerde ein.

Das OLG gab der Beschwerde statt und urteilte, dass die Ehefrau des Erblassers die Kosten für das Sachverständigengutachten nicht übernehmen müsse.

Das OLG vertrat die Auffassung, dass die Kosten des Sachverständigen, mit dessen Hilfe die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers geklärt wurde, von den beiden Söhnen des Erblassers als Erben zu tragen seien.

Das Gutachten kommt den Erben zugute

Das OLG begründete dies mit der Erwägung, dass das Ergebnis des Gutachtens den beiden Erben zugute kam.

Durch das Gutachten konnte, so das OLG, ermittelt werden, wer der wahre Erbe des Erblassers ist, was sowohl im Interesse des Erblassers als auch des wahren Erben liegen würde.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass nach Abschluss des Erbscheinverfahrens der Nachlass den Erben zufallen würde.

Im Ergebnis musste die Ehefrau damit nicht die Kosten für das im gerichtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten übernehmen.  

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