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Muss bei einem Erbscheinsantrag zur Ermittlung der Erben ein Privatdetektiv eingeschaltet werden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Beschluss vom 08.02.2023 – IV ZB 16/22

  • Gläubiger eines Erblassers beantragt einen Erbschein, ohne die genaue Erbfolge zu kennen
  • Nachlassgericht und OLG halten den Erbscheinsantrag für unzulässig
  • Der BGH verweist auf die Amtsermittlungspflicht der Gerichte im Nachlassverfahren

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Erbscheinsverfahren zu entscheiden, ob und wann ein Nachlassgericht in Frage kommende Erben selber ermitteln muss.

In der Angelegenheit war ein Erblasser am 11.11.2009 verstorben.

Nur wenige Monate vor seinem Ableben war gegen den Erblasser am 09.09.2009 von einem niederländischen Gericht ein Urteil erlassen worden.

Gläubiger hat gegen den Erblasser einen Anspruch in sechsstelliger Höhe

Nach diesem Urteil war der Erblasser verpflichtet, an einen Gläubiger einen Betrag in Höhe von 416.354,15 Euro zu bezahlen.

Der Gläubiger ließ im Jahr 2011 das Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklären und mit einer Vollstreckungsklausel gegen die "unbekannten Erben" des Erblassers versehen.

In der Sterbefallanzeige hatte die Ehefrau des Erblassers angegeben, dass als Erben neben der Ehefrau eine Tochter A und eine uneheliche Tochter B, die angeblich in Großbritannien leben würde, in Frage komme.

In der Folge wurde in der Sache ein Nachlassinsolvenzverfahren wegen Überschuldung des Nachlasses durchgeführt, das nach der Schlussverteilung aufgehoben wurde.

Gläubiger beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein

Um seinem Ziel, aus dem zu seinen Gunsten ergangenen Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben zu können, näher zu kommen, beantragte der Gläubiger des Erblassers bei dem zuständigen Nachlassgericht in Deutschland die Erteilung eines Erbscheins.

Zunächst wurde vom Gläubiger des Erblassers ein Erbschein beantragt, wonach die Ehefrau und die in Deutschland lebende Tochter des Erblassers Erben zu je ½ geworden sein sollen.

Das Nachlassgericht wies den Antragsteller darauf hin, dass nach den Angaben in der Sterbefallanzeige wohl auch die uneheliche Tochter aus Großbritannien als mögliche Erbin in Betracht komme.

Wer sind die Erben des Erblassers?

Daraufhin hatte der Gläubiger des Erblassers hilfsweise einen Erbschein beantragt, wonach die Ehefrau des Erblassers Erbin zu ½ und die beiden Kinder Erben zu je ¼ sein sollen.

Der Erbscheinsantrag wurde in der Folge sowohl vom Nachlassgericht als auch im Beschwerdeverfahren vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Begründet wurde die Zurückweisung des Antrags mit dem Argument, dass der Antragsteller das Erbrecht nach dem Erblasser „nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen oder andere Beweismittel angegeben“ habe.

Antragsteller legt Rechtsbeschwerde zum BGH ein

Gegen die Entscheidung des OLG legte der Betroffene Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein.

Der BGH gab der Rechtsbeschwerde statt und verwies die Sache zurück zum OLG.

Der BGH wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass ein Erbscheinsantrag nicht zurückgewiesen werden dürfe, wenn „der Antragsteller vom Gesetz geforderte Beweismittel ohne Verschulden nicht angibt.“

Vielmehr sei das Nachlassgericht in diesem Fall verpflichtet, den zugrunde liegenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.

Hat der Antragsteller alles getan, um die Erbfolge aufzuklären?

Wenn ein Antragsteller trotz aller Bemühungen keine weiteren Nachweise vorlegen könne, dürfe ein Erbscheinsantrag nicht zurückgewiesen werden.

Zunächst müsse der Antragsteller alles tun, um die Umstände, die er durch den Erbschein bestätigt wissen will, durch entsprechende Beweismittel zu untermauern.

Kann er dies aber – ohne Verschulden – nicht, sei, so der BGH, das Nachlassgericht an Zug.

Der Antragsteller habe im zu entscheidenden Fall auch dezidiert vorgetragen, warum er keine weiteren Beweismittel insbesondere zu der nichtehelichen Tochter des Erblassers vortragen könne.

Trifft den Antragsteller ein Verschulden?

Das OLG hätte zumindest entscheiden müssen, ob den Antragsteller „ein Verschulden an der bisher unterbliebenen Angabe von Beweismitteln für die Existenz oder Nichtexistenz einer weiteren Erbin trifft.“

Dabei sei der Antragsteller bei unklarer Sachlage aber regelmäßig nicht verpflichtet, zur weiteren Aufklärung einen Erbenermittler oder einen Privatdetektiv einzuschalten.

Nach dieser Entscheidung des BGH musste sich das OLG demnach noch einmal mit der Angelegenheit beschäftigen.

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